Pressespiegel

Lübecker Nachrichten | Donnerstag, 28.10.2010

Brahms in Bits und Bites
Lübecker Nachrichten 28.10.2010

[von Jürgen Feldhoff]

Gestern wurden die mehr als 20 000 Dateien freigeschaltet. Unter www.brahms-institut.de können ab sofort nahezu alle Stücke aus der Sammlung des Instituts in qualitativ hochwertigen Scans eingesehen werden. Dazu gehören Brahms' Autographen, Stichvorlagen seiner Werke, rund 240 Briefe, aber auch Kompositionen, die Brahms von Kollegen gewidmet wurden. Das Land Schleswig- Holstein hat das Digitalisierungs- Projekt mit 150 000 Euro unterstützt. Nach den Fotos aus der Sammlung, die von den Professoren Renate und Kurt Hofmann aufgebaut worden ist, und dem »Digitalen Notenschrank« ist die elektronische Aufarbeitung der Brahms-Schätze des Instituts jetzt einen entscheidenden Schritt weitergekommen.

Institutsleiter Wolfgang Sandberger freut sich über den Zuspruch, den der Internetauftritt jetzt bereits hat: »In den vergangenen fünf Monaten haben wir mehr als 30000 Zugriffe gezählt, aus aller Welt sind Brahms-Forscher auf unseren Seiten tätig. Durch die Digitalisierung der anderen Bestände wird sich die Zahl der Zugriffe weiter steigern.«

Unter diesen Beständen befindet sich unter anderem auch das Adressbuch von Johannes Brahms. Darin sind die Namen und Adressen vieler illustrer Personen aus dem Musikleben notiert, aber auch einige, die erst später zu Ruhm kommen sollten. Auf einer der Hamburg gewidmeten Seiten findet sich der Eintrag »G. Mahler" - gemeint ist tatsächlich Gustav Mahler.

»Wir sind sehr dankbar für die Förderung durch das Land«, sagt Wolfgang Sandberger. Der Musikwissenschaftler und Herausgeber des Brahms-Handbuches sieht die Stellung von Schleswig-Holstein als weltweit wichtigster Platz der Brahms-Forschung gestärkt: »In Kiel entsteht an der Universität die neuen Gesamtausgabe, dort sind seit 1987 schon 13 Bände der auf 65 Bände geplanten Edition erschienen. Wir haben unser Brahms-Briefregister fertiggestellt und praktisch unsere gesamte Sammlung, die eine der wichtigsten weltweit ist, per Internet zugänglich gemacht. Wer über Brahms forschen will, kommt an Schleswig-Holstein nicht vorbei.«

Zum ersten Mal arbeitet im Brahms-Institut jetzt eine junge Doktorandin, die über die Brahms zugeeigneten Musikwerke forscht. Allein zu Lebzeiten wurden Brahms 100 Kompositionen gewidmet, die sich fast alle auch im Institut in der Eschenburgstraße befinden.

Die Digitalisierung hat aber auch einen ganz praktischen Effekt: Die kostbaren Bestände müssen nicht mehr für jeden Forscher, der ein Original einsehen will, aus Tresor und Klimakammer geholt werden. Sandberger: »Dieser konservatorische Effekt ist sehr wichtig, die Blätter und Drucke bleiben ganz einfach in besserem Zustand. Die Scans der Originale im Internet sind außerdem von derart hoher Qualität, dass man jeden noch so feinen Bleistiftstrich von Brahms oder kleinste Risse im Papier problemlos erkennen kann. Mit diesen Digitalisierungen kann man wissenschaftlich wie mit Originalen arbeiten.«

Wolfgang Sandberger hat bereits ein neues Digitalisierungsprojekt im Auge. »Zur Sammlung des Brahms-Instituts gehören auch sämtliche Erstausgaben der Werke von Robert Schumann. Die sind noch seltener als die Brahms-Erstausgaben und deshalb noch wertvoller. Es wäre sinnvoll, die Schumann-Drucke ebenfalls elektronisch aufzuarbeiten und auf diese Weise der Wissenschaft zugänglich zu machen.« Rund 10 000 weitere Digitalisate kämen dann auf Sandberger und seine Mitarbeiter und die technischen Partner zu. Ungeklärt ist allerdings bislang die Finanzierung.




Autograf des Klavierquartetts op. 26 von Johannes Brahms
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