Das Museum
Wechselnde Ausstellungen in der Villa Brahms
Johannes Brahms selbst war nicht nur ein Ohren- sondern auch ein Augenmensch, der zu Museen und Ausstellungen eine besondere Affinität hatte. Der Schweizer Schriftsteller Joseph Viktor Widmann, der Brahms auf mehreren Italien-Reisen begleitete, berichtet: »Rasch schritt Brahms durch die Galerien; wo er den Schritt hemmte, da konnte man sicher sein, dass ein echtes Kunstwerk hing […]. Manchmal aber auch blieb er vor einem Gemälde lieber allein, weil die Offenbarung reiner, hoher Schönheit ihn leicht zu Tränen rührte.«
Die Exponate der wechselnden Ausstellungen, die das Brahms-Institut seit 2004 in den historischen Räumen der Villa Brahms zeigt, wollen und können mit der »Offenbarung reiner, hoher Schönheit« eines Tizian, Raffael oder Michelangelo nicht konkurrieren – bewegend sind sie freilich mitunter auch: Der Blick in das persönliche Adressbuch dürfte den Brahms-Liebhaber ebenso berühren wie der Blick auf einen Briséfächer mit Brahms’ Unterschrift, auf seine Brieftasche, auf von ihm gesammelte Bilder im Visitformat oder gar seine Briefe. Vor allem aber dürften die Musikhandschriften des Komponisten auch das ungeübte Auge faszinieren, wird beim Betrachten doch jener geheimnisvolle Augenblick lebendig, in dem eine Komposition zu Papier gebracht wurde.
Bevor das Institut im Januar 2004 mit der Ausstellung »Johannes Brahms – Zeichen, Bilder, Phantasien« einen ersten Querschnitt seiner Sammlung präsentieren konnte, waren ein schlüssiges Museumskonzept zu erarbeiten sowie die Erstausstattung an Vitrinen, Hörsäulen und Wandtafeln zu finanzieren. Es gelang, die renommierte Kölner Ausstellungsarchitektin Ingrid Bussenius, die mit der Illumination des Kölner Domschatzes hervorgetreten war, für das Projekt zu gewinnen. Sie hat das eindrucksvolle Raumkonzept sowie den Entwurf für die Vitrinen und Hörsäulen geliefert. Für den Entwurf und die Realisierung der Beleuchtung mittels eines zentralen Deckenleuchters, der formale Elemente der klassizistischen Stuckdekoration aufgreift, zeichnet Daniel Zerlang-Rösch (Offenbach) verantwortlich. Die finanzielle Realisierung der Erstausstattung ist einmal mehr der großzügigen Unterstützung der Possehl Stiftung zu danken.
Eine Ausstellung, die in erster Linie mit Musik zu tun hat, hat ihre eigenen Gesetze der Präsentation. Ganz ohne die reale klangliche Wiedergabe fehlt etwas Wesentliches. Dies war übrigens schon Brahms selbst bewusst, als er 1888 gemeinsam mit Widmann eine Musik-Ausstellung in Bologna besuchte, in der kostbare Autografe und alte Instrumente gezeigt wurden. In Widmanns Erinnerungen heißt es dazu: »Dergleichen sah man mit Ehrfurcht an, wie der gläubige Katholik Reliquien anschaut, empfand aber zugleich, daß eine Kunst, die ganz für’s Ohr ist, zur Ausstellung für’s Auge sich am wenigsten eignet.« Diesem Einwand hat die Ausstellungskonzeption Rechnung getragen. Der Besucher hat nämlich an vier Hörstationen Gelegenheit, Musik zu erleben. Dabei ergibt sich die einzigartige Situation, etwa den fünften Satz aus Ein deutsches Requiem gleichzeitig in der Handschrift des Komponisten lesen und über Kopfhörer hören zu können!
2008 kam im Rahmen der Schau »Johannes Brahms – Ikone der bürgerlichen Lebenswelt?« ein weiterer Ausstellungsraum hinzu, der Brahms’ Wiener Wohnung in der Karlsgasse 4 fotografisch dokumentiert. Im Mittelpunkt steht dabei die Rekonstruktion seines Musikzimmers als Beispiel für ein bürgerliches Interieur im ausgehenden 19. Jahrhundert. Das Bildprogramm mit Bismarck im preisenden Lorbeerkranz ist ebenso aufschlussreich wie die Porträts der verehrten Musiker. Dabei hatte Brahms die Büste von Beethoven im wahrsten Sinne des Wortes ›im Nacken‹, wenn er am Klavier saß und komponierte. Das Musikzimmer ist bei den Museumsbesuchern besonders beliebt, nimmt es doch die persönlichen Eigenheiten von Brahms in den Blick und macht den Menschen hinter dem großen Komponisten greifbar.