Pressespiegel
Lübecker Nachrichten | Mittwoch, 17.03.2010
[von Jürgen Feldhoff]
Drei Jahre lang hat ein Team von drei Musikwissenschaftlern nach Briefen von und an Brahms gesucht. Neben den rund 7000 bekannten und bereits publizierten Briefen stießen die Forscher Christiane Wiesenfeldt, Fabian Bergener und Peter Schmitz auf mehr als 3000 bisher unbekannte Brahms-Briefe. »Dabei sind uns echte Schnäppchen gelungen«, sagt Wolfgang Sandberger, Leiter des Brahms-Institutes und Initiator des Brief-Projekts. »Der Urenkel des berühmten Dirigenten Hans Richter hat uns 16 Briefe von Brahms an seinen Vorfahren geschenkt.«
Mit Aufrufen in Fachzeitschriften und überregionalen Zeitungen ist es den Lübecker Forschern geglückt, eine große Zahl von Briefen aus Privatbesitz zumindest einzusehen, als Kopie oder gar als Geschenk zu erhalten. Außerdem wurden weltweit mehr als 3000 Bibliotheken angeschrieben und Auktionskataloge seit 1897 durchforstet - an vielen Orten stieß man auf bekannte oder auf unbekannte Brahms-Briefe. Und manchmal half auch der Zufall. So entdeckte ein Projekt-Mitarbeiter einen gerahmten Brahms-Brief im Hintergrund eines Fotos im »Spiegel« - auch dieser Fund ist mittlerweile katalogisiert.
»Dieses Verzeichnis enthält mehr als 10 800 Briefe, davon mehr als 6800 von Brahms geschriebene. Der Komponist hatte mehr als 1000 Briefpartner - so schreibfaul, wie ihn Robert Schumann geschildert hat, war Brahms also nicht«, sagt Wolfgang Sandberger. »Abgeschlossen ist das Projekt eigentlich nie«, fügt er hinzu, »es tauchen immer wieder neue Brahms-Briefe auf, die wir dem Register hinzufügen müssen - wenn wir es personell schaffen.« Für das jetzt beendete Projekt, das heute offiziell vorgestellt wird, hatte die Deutsche Forschungsgemeinschaft mehr als 600 000 Euro für eine volle und zwei halbe Stellen zur Verfügung gestellt.
Im Internet findet sich ab heute unter der Adresse www.brahms-institut.de zu den knapp 11 000 Briefen, Karten und Telegrammen jeweils ein Datensatz, der Incipits (die Briefanfänge der verzeichneten Schreiben) die Namen von Schreiber und Empfänger, Ort und Datum sowie Angaben zur Veröffentlichung oder, bei bisher unpublizierten Schreiben, zum Ort der Aufbewahrung enthält. Damit können Forscher zum Beispiel alle Brahmsbriefe aufrufen, die während der Entstehungszeit bestimmter Werke entstanden sind. Die Datensätze sind chronologisch geordnet, können aber auch nach Absendern und Empfängern abgerufen werden.
Im Internet zu finden sind jetzt auch Ablichtungen der rund 240 Brahms-Briefe, die sich im Besitz des Instituts befinden. Wir sehen diese Arbeit, für Die wir detektivischen Ehrgeiz entwickelt haben, als Vorstufe zu einer historisch-kritischen Gesamtausgabe der Briefe«, sagt Sandberger. »Eine solche Ausgabe aber wäre ein echtes Mammutprojekt. Man bräuchte Personal und mindestens zehn Jahre Zeit dafür.«
Fabian Bergener, Christiane Wiesenfeldt, Wolfgang Sandberger (vlnr.)
© Lutz Rössler
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